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Leitlinien der Modernisierung
Nicht nur der öffentliche Sektor verändert sich, auch die Leitbilder der Verwaltungsmodernisierung unterliegen im Verlauf der fortdauernden Reformdebatte einem Wandel. Während sich das im Zuge von Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung verfolgte Konzept des „Schlanken Staates" vor allem auf die Reduzierung öffentlicher Aufgaben beschränkte, forderte das Leitbild des „Aktivierenden Staates" eine „neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft". Letztlich sollte unter diesem eher positiv besetzten Slogan das Verhältnis zwischen staatlichen Pflichten und bürgerschaftlichem Engagement neu bestimmt werden mit dem Ziel, Aufgaben wie z. B. Gesundheit, Bildung und Umweltschutz auf private und gesellschaftliche Akteure zu verlagern. Von der Idee des „Schlanken Staates" hatte sich jedoch auch das neue Leitbild nicht vollständig verabschiedet. Demzufolge habe der Staat seine Steuerungs-, Regulierungs- und Aktivierungsfunktion wirksam und wirtschaftlich auszuüben. Die große Koalition stellte die „Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung" in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen und hoffte, sie durch Innovationen, Leistungsfähigkeit und Effizienz gewinnen zu können. Innovationen sollten sich vor allem auf moderne Informationstechnik stützen. Der Gedanke, IT-gestützte Verfahren behörden- und länderübergreifend zu koordinieren, gewann an Einfluss. Im Übrigen nahm auch in der großen Koalition der so genannte Bürokratieabbau breiten Raum ein.
Ungeachtet der sich im Zuge des Modernisierungsprozesses verändernden Leitbilder gibt es einige Grundsätze, an denen selbst bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung nicht gerüttelt wird. Die folgenden Leitlinien gehören dazu:
1. Bürgerorientierung und „Kundenfreundlichkeit"
Das Selbstverständnis der öffentlichen Verwaltung hat sich in den vergangenen Jahren in weiten Teilen grundlegend geändert. Die Beschäftigten in den Behörden werden der Forderung, obrigkeitliche Denkstrukturen ab zu legen, immer besser gerecht. Sie betrachten Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsunternehmen und andere gesellschaftliche Einrichtungen, etwa die so genannten Non-profit-Organisationen, nicht länger als zu regulierende Objekte, sondern als Subjekte, die bereit sind, eigene Leistungen mitwirkend einzubringen. Mit Bürgerbüros und neuen Service-Angeboten ist es zahlreichen Kommunen gelungen, den persönlichen Kontakt zwischen BürgerInnen und Behörde zu verbessern. Im Zuge der wachsenden Bedeutung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnik im Rahmen von Verwaltungsreformprozessen wird Bürgerorientierung jedoch zunehmend wieder zu einem Begriff mit hohem Interpretationsbedarf. Bürgerorientierung darf weder auf den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Verwaltungsinformationen und Serviceleistungen mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnik reduziert werden noch den geordneten Rückzug des Staates aus der Verantwortung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zugunsten von mehr bürgerschaftlichem Engagement rechtfertigen. Beide Stoßrichtungen prägen mal mehr, mal weniger stark die öffentliche Diskussion.
In der Diskussion über Bürgernähe und Kundenorientierung bewegen sich auch die Gewerkschaften auf einem schmalen Grat. Kunden im Sinne der Wirtschaft, um deren Kaufkraft zur Maximierung des Unternehmensvermögens geworben wird, kann die Verwaltung nicht haben. Der Bürger bleibt Bürger mit allen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten. Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger treten der Verwaltung in wechseln den Rollen gegenüber. Sie können hoheitlichem Staatshandeln unterworfen und parallel Wettbewerber, Kunde oder Partner sein. Im Selbstverständnis einer modernen Verwaltung ist der Dienstleistungsgedanke gegenüber allen in ihren wechselnden Rollen weitgehend verwirklicht.
2. Leistungs- und Wettbewerbsorientierung
Verwaltungsmodernisierung ist in der Regel von dem Anliegen geprägt, Kosten einzusparen. Mit Hilfe verschiedener Instrumente wie Zielvereinbarungen, Qualitätsmanagement und Controlling sollen Prozesse gesteuert und fortlaufend verbessert werden. Soll-Ist-Vergleiche, Leistungsvergleiche zwischen Behörden mit ähnlicher Aufgabenwahrnehmung und der Vergleich mit anderen Wettbewerbern sollen Anreize schaffen für ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und eine bessere Qualität öffentlicher Dienstleistungen. Zielvereinbarungen und Kennzahlen sollen Maßstab sein für die Leistungen der Verwaltung. Benchmarking soll dazu beitragen, das Wettbewerbsbewusstsein zu stärken. Beispiele für „Good Practice" oder „Best Practice" im nationalen oder internationalen Vergleich sollen die „weniger Erfolgreichen" anspornen, leistungsstärker zu werden.
3. Wirtschaftliches Denken
Kosten-Nutzen-Rechnungen sind eng mit dem Benchmarking verbunden. Nur wer das Verhältnis von entstehenden Kosten und zu erbringenden Leistungen kennt, ist in der Lage, die Effizienz öffentlicher Leistungserstellung zu beurteilen. Die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) ist das probate betriebswirtschaftliche Mittel, das zu diesem Zweck bereits seit geraumer Zeit in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes Einzug gehalten hat. Voraussetzung für die er folg reiche Anwendung der KLR ist, den jeweils zuständigen Verwaltungseinheiten Globalbudgets zuzuweisen und damit Fach- und Ressourcenverantwortung zusammen zuführen. Die Budgetierung soll den Behörden größere Handlungsspielräume eröffnen, die sich im Idealfall auf die Qualität der Leistungen positiv auswirken. Zugleich müssen verbleibende Mängel der Leistungserstellung auch selbst verantwortet werden. In der Debatte um die unterschiedlichen Organisationsformen der Produktion öffentlicher Güter und Dienstleistungen bietet die Zurechnung von Kosten bestimmter öffentlicher Dienste die Chance zu prüfen, ob es sich rechnet, öffentliche Aufgaben neu zu strukturieren.
4. Neue Formen der Aufgabenwahrnehmung
Die von Politikern und anderen gesellschaftlichen Akteuren propagierte „Verantwortungsteilung" zwischen Staat und Gesellschaft impliziert eine breite Palette unterschiedlicher Formen der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung: Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung, Outsourcing, Public-Private-Partnership, Cross Border Leasing. Die Band breite ist groß, aber immer geht es darum, öffentliche Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen und Personal bei den Kommunen, bei den Ländern und beim Bund oder im mittleren öffentlichen Dienst abzubauen. Die Krise der öffentlichen Finanzen, massive Kapitalverwertungsinteressen und eine Europäische Union, die sich als Liberalisierungsmotor betätigte, schufen ein günstiges Klima für die Privatisierungseuphorie der vergangenen Jahre. Die Versprechungen – günstigere Preise, mehr Dienstleistungsqualität, mehr Effizienz, mehr Beschäftigung – waren vollmundig. Die Risiken – geringere Dienstleistungen für das gleiche Geld, längere Wegeund Wartezeiten für Bürgerinnen und Bürger, sinkende Kaufkraft durch Druck auf Löhne und Gehälter, niedrigere Dienstleistungsqualität wegen unzufriedener und geringer qualifizierter Beschäftigter – blieben unausgesprochen. Energieversorgung, Postdienste, Verkehrsbetriebe wurden privatisiert, Reinigungsdienste, Gebäudemanagement oder Grünflächenpflege ausgelagert, Hausdruckereien aufgelöst. Rathäuser, Verwaltungsgebäude, Schulen, Schwimmbäder, Kitas, Horte oder Bibliotheken werden immer häufiger in „öffentlich-privater Partnerschaft" gebaut, saniert oder betrieben. Ganz gleich, welche Form das Abbaus oder der Umwandlung öffentlicher Leistungserstellung zum Zuge kommt, immer gehen Arbeitsplätze, Know-how und parlamentarische Kontrolle im öffentlichen Dienst verloren. Erst mit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sind Wert und Bedeutung des öffentlichen Dienstes für die Gesellschaft wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Erkenntnis wächst, dass wichtige Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen ohne staatlichen Einsatz nicht in ausreichendem Maße, guter Qualität und kostengünstig angeboten werden können.
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