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Verhandeln statt Verordnen
Da bisher eine verfassungsändernde Mehrheit in Bundes tag und Bundesrat zur
Herstellung voller Verhandlungsrechte für Beamtinnen und Beamte nicht in Sicht ist,
verfolgt der DGB mit seiner Beamtenpolitik zur Umsetzung der gewerkschaftlichen
Forderung nach einem an einheitlichen Grundsätzen ausgerichteten Personalrecht seit Beginn der 90er Jahre pragmatische Schritte. Einer davon ist die vom DGB im Jahre 1991 ins Leben gerufene Aktion „Verhandeln statt Verordnen".
Beteiligungsverfahren durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt
„Mit Vereinbarungen Fakten schaffen", lautet die Devise des DGB. Im Bund und in
mehreren Ländern, beispielsweise in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wurden über die Jahre öffentlich-rechtliche Verträge zur Ausgestaltung der beamtenrechtlichen Beteiligung ab geschlossen. Obwohl diese Verträge überwiegend Verfahrensregeln enthalten, wurden mit ihnen dennoch erste entscheidende Schritte hin zu Verhandlungsrechten getan. Es ist ein Novum in der Geschichte des Berufsbeamtentums das Beteiligungsrecht in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag auszugestalten. Auch wenn die erste Vereinbarung 1993 von den Bundesressorts manchmal nicht oder nur teilweise beachtet wurde, war doch in der praktischen Anwendung zumindest in formellen Fragen ein Fortschritt festzustellen. Aufgrund dieser Erkenntnis waren auch beide Seiten bereit, an dieser probeweise abgeschlossenen Vereinbarung festzuhalten. Bundesinnenministerium (BMI) und DGB waren sich darin einig, die Vereinbarung strukturell zu überarbeiten und inhaltlich zu verbessern. Nach intensiven Verhandlungen wurde am 20. Juni 1996 die zweite Vereinbarung zwischen Bundesinnenministerium und DGB unterzeichnet. Nach zwei Jahren wurde diese 1998 fristgerecht gekündigt. Eine neue wurde bis heute nicht abgeschlossen. Die Inhalte dieser Vereinbarung werden aber nach wie vor beim Beteiligungsverfahren beachtet.
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Vereinbarung über die Beteiligung der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bei allgemeinen Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse (§ 94 BBG) Präambel Abschnitt I. § 1 Anwendungsbereich § 2 Beteiligung während der Ressortabstimmung § 3 Beteiligung nach erfolgter Ressortabstimmung Abschnitt II. § 4 Beteiligung bei Gegenäußerungen Abschnitt III. § 6 Spitzengespräche § 7 Fachgespräche § 8 Initiativen der Spitzenorganisationen Abschnitt IV. § 9 Inkrafttreten und Kündigung Bonn, den 20. Mai 1996 Bonn, den 20. Mai 1996 |
Battis-Gutachten bestärkt gewerkschaftliche Forderung
In einem Gutachten hat der Verfassungsrechtler Ulrich Battis zu den „Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gewerkschaftlicher Beteiligungsrechte im Beamten recht" umfassend Stellung genommen. Battis kommt zu dem Ergebnis, dass zwar eine Übertragung der
Rechtsetzungsmacht auf nichtstaatliche Stellen mit Art. 80 GG nicht zu vereinbaren ist, doch könnten bei Wahrung des Letztentscheidungsrechts fast alle beamtenrechtlichen Regelungen im Wege von Vereinbarungen getroffen werden. Battis führt in seinem Gutachten u. a. aus:
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Auszug aus dem Battis-Gutachten „Das der Beteiligungspflicht nach Paragraph 94 BBG korrespondierende Recht hat sich (...) aIs äußerst schwach erwiesen. Insbesondere vermag die Vorschrift keine Sanktionsfolgen zu bieten. (...) Die 1993 getroffene Vereinbarung der Spitzenorganisationen der Beamtengewerkschaften mit dem Bundesminister des Innern erweist sich (...) als öffentlichrechtlicher Vertrag (...) und damit als erster beachtlicher Schritt auf dem Wege zur Weiterentwicklung gewerkschaftlicher Beteiligungsrechte im Beamtenrecht durch Inkorporation (Aufnahme, d. Red.) von Verhandlungselemen ten. Die (...) Weiterentwicklung der Beteiligungsrechte (...) ist kein Fremdkörper im (...) Beamtenrecht, sondern Merkmal der tatsächlichen Flexibilität (...). Sie ist eingebettet in eine breite Modernisierungswelle öffentlicher Verwaltungstätigkeit. (...) Die Ausweitung der Verhandlungsmöglichkeiten ist damit nicht „nur" ein Schritt zur Modernisierung des Dienstrechts, sondern darüber hinaus Maßnahme zur Stabilisierung des Dienstrechts. Die „hergebrachten Grundsätze" erfassen einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die (...) als verbindlich anerkannt (...) sind. (...) Demgegenüber zeichnet das Beamtenrecht seit jeher die einseitige Regelung der beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisse aus. Zu Recht erachtet die herrschende Meinung daher die einseitige Ausgestaltung des (...) Beamtenverhältnisses durch den Staat als hergebrachten Grundsatz, der (...) |
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Erstmals materielles Beamtenrecht ausgehandelt
Statt die gekündigte Vereinbarung neu auszuhandeln, wurde zu Beginn der 14. Legislaturperiode zwischen BMI und DGB verabredet, am Beispiel der Laufbahn-, Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften zu erproben, ob und in welchem Maße materielle Regelungen ausgehandelt werden können. Von Anfang 1999 bis Mitte 2000 wurde über den Musterentwurf für die Laufbahn des gehobenen nicht technischen Dienstes des Bundes verhandelt. In intensiven Gesprächen wurde eine Reihe gewerkschaftlicher Vorstellungen eingearbeitet. Ein großer Erfolg ist, dass die Mustervereinbarung zum Studienabschluss die lange Jahre geforderte Diplomarbeit vorsieht. Der öffentlich-rechtliche Vertrag wurde am 6. September 2000 von DGB-Beamtenpolitikerin Ingrid Sehrbrock und Innenstaatssekretärin Brigitte Zypries unterzeichnet. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung über Muster-Laufbahn-, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen (LAPO) für den gehobenen nichttechnischen Dienst des Bundes haben der DGB und das Innenministerium die ersten Verhandlungen zur Gestaltung materiellen Beamtenrechts erfolgreich abgeschlossen. Die Vereinbarung war ein wichtiger Schritt, der zeigt: Verhandlungen sind möglich und führen zu befriedigenden Ergebnissen für alle Seiten. Der Weg ist manchmal mühsam, denn es muss zielorientiert verhandelt werden, aber er ist einer demokratischen Gesellschaft angemessen. Es ist höchste Zeit, vom obrigkeitsstaatlichen Beamtenrecht Abschied zu nehmen und neue Verfahrensweisen anzuwenden – weg vom Verordnen, hin zum Aushandeln. Wegen der äußerst konstruktiven Verhandlungsatmosphäre waren sich damals Innenstaatssekretärin Brigitte Zypries und DGB-Vorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock einig, sobald wie möglich Themenfelder für weitere beamtenrechtliche Verhandlungen abzustecken. Doch aufgrund der sich daran anschließenden beamtenrechtlichen Änderungen bei der Versorgung und der Besoldung konnte bis heute noch kein Folgeprojekt in Angriff genommen werden. Und dennoch: VsV – Verhandeln statt Verordnen, so beschreiben der DGB und seine Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes nach wie vor die Notwendigkeit zeitgemäßer Strukturen, um beamtenrechtliche Sachverhalte auszuhandeln. In alle beamtenpolitischen Gespräche im Bund und mit den Ländern wird dieses Anliegen eingebracht. Der DGB lässt nicht locker, wenn es darum geht, die Interessenvertretung der Beamtinnen und Beamten zu verbessern. Er ist sich darüber im Klaren, dass es schwieriger ist, Reformen des Berufsbeamtentums, die vor allem den Beamtinnen und Beamten zugute kommen, durchzusetzen als dicke Eichenbretter zu bohren.